Sie singt, tanzt und steht auf der Bühne. Das ist Nedimce Ince
Ich dürfte Nedime Ince ein paar interessante Fragen stellen. Und die wohl wichtigste ist ob sie wirklich eine Türkin ist?
Guten Abend Frau Ince, sehr Vielen Dank erstmal das Sie uns dieses Interview ermöglichen. Sie sind eine türkische Musicaldarstellerin aus Izmir und stehen jetzt hier auf den deutschen Bühnen.
Was machen Sie noch, können Sie ein wenig über sich selbst uns erzählen?
Einen wunderschönen guten Abend! Sag ruhig Nedime, sonst fühl ich mich so alt :)
Neben dem Singen, was ich von morgens bis abends mache, bin ich auch so oft es geht in der Natur. Laufen oder Spazieren. Ich brauche den Ausgleich um Gedanken zu ordnen oder einfach mal Abstand vom Showbusiness zu bekommen und durchzuatmen. Sonst lese ich noch supergern, schreibe Texte und eigene Lieder und verbringe meine freie Zeit mit Menschen die mir am Herzen liegen.
Wenn man zur Ihrer Kindheit früher zurückkehrt. War dies dann immer hier Kinderwunsch? Ich meine auf der großen Bühne zu stehen und vorm Puplikum zu agieren?
Gesungen hab ich schon immer. Aber auf der Bühne zu stehen war eher ein unbewusster Wunsch in meiner Kindheit. Bis zur 11. Klasse wollte ich immer Medizin studieren, bis ich gemerkt habe, dass mein NC nicht ausreichen wird. Dann habe ich mich für ein Lehramtsstudium in Oldenburg mit den Fächern Musik und Philosophie entschieden, aber der Drang danach auf der Bühne zu stehen wurde immer größer. 2009 bin ich nach Leipzig gezogen, um an der HMT Musical zu studieren.
Sie selber sagen, dass Sie sich eher als eine Deutschin mit türkisch- arabischen Migartionshintergrund bezeichnen. Wie kommen Sie darauf, den ihr Name klingt ja türkisch?
Ich lebe seit meinem 8. Lebensjahr in Deutschland. Beherrsche die deutsche Sprache besser als meine Muttersprache und bin auch evangelisch getauft und erzogen worden. Zur kurzen Aufklärung: Mein biologischer Vater ist Türke und meine Mutter bringt die arabischen Wurzeln mit. Mein Name ist fast das Einzige, was wirklich türkisch an mir ist.
Wie viel von einer "Türkin" steckt in Ihnen?
Ganz ehrlich? Da ich Menschen nicht gern in Schubladen stecke, könnte ich gar nicht beurteilen was nun eine "Türkin" ausmacht. Aber ich geh davon aus, dass mein Temperament der türkischen Nedime in mir zur verdanken ist. Außerdem bin ich sehr gastfreundlich und trinke viel Tee. Die krausen wilden Haare und Kurven könnten auch noch türkisch sein (lachend)
Sie genießen sicherlich, das Bühnenleben. Dort kann man Singen, tanzen und spielen. Doch, wie wir alle wissen, hat die muslimische Seite viele Klitchess und Vorurteile. Z.b. das muslimische Frauen nicht so viel Haut zeigen dürfen oder sie nicht mit fremden Männer knutschen sollen. Wie gehen Sie mit solchen Situation auf der Bühne um?
Ich habe meine eigenen Grenzen und lasse mir nicht die Grenzen anderer Menschen oder Religionen überstülpen. Für mich ist es wichtig, dass ich ehrlich zu mir selbst bin. Egal was ich tue, ich muss mich danach noch im Spiegel angucken können. Dabei bin ich mir natürlich auch bewusst, dass ich mit meiner Arbeit auf der Bühne immer in der Öffentlichkeit stehe und eine Vorbildfunktion habe. Ich kann meine Arbeit auf der Bühne gut von meinem Privatleben trennen. Um eine Rolle zu „spielen“ schöpfe ich natürlich aus mir selbst und meinen Erfahrungen. Das heisst aber nicht, dass ich die Rolle bin oder werden muss.
Gab es schonmal Konflikte auf der Bühne bzw. ihrer Rolle für der Sie wegen Ihrer Religion dem Regisseur ein klares "Nein" sagen müssten?
Nein, bis jetzt hatte ich das Glück mit tollen Regisseuren zu arbeiten, die immer in Absprache mit den Künstlern entschieden haben.
Was sind für sie absolute No- Gos. Sprich Sachen, die Sie selbst wirklich niemals auf einer Bühne tun würden?
Das ist ganz einfach. Ich würde nie mein Geschäft auf der Bühne erledigen oder meine Seele verkaufen.
Im Jahre 2013 haben Sie dann den Menschen ein Workshop gegeben. Ein Gesangworkshop. Doch es war ein besonderes, weil es ihr erstes und eigenes war. Was fanden Sie daran besonders? Gibt es zukünftig mehrere?
Mein Gesangworkshop 2013 hat mir sehr viel Spaß gemacht. Bis jetzt hat sich leider keine weitere Workshop-Möglichkeit ergeben. Ich habe an der HMT Leipzig neben meinem Musicalstudium auch Gesangpädagogik studiert und ein Jahr an der Theaterakademie in Delitzsch als Gesangdozentin gearbeitet. Das Unterrichten ist eine wunderbare Möglichkeit, um neue Talente wachsen zu sehen und vor allem sich selber weiterzuentwickeln. Durch das Hinterfragen der Schüler bin ich gezwungen meine Techniken genauestens zu analysieren um sie bestmöglich erklären zu können. Das macht schon viel Spaß. Momentan unterrichte ich nur privat, weil ich so flexibel bleiben kann um die Jobs auf der Bühne anzunehmen. Wer weiss, wenn ich mich irgendwann auf der Bühne ausgetobt habe werde ich vielleicht nur noch als Gesangpädagogin arbeiten.
Gibt es Rituale von Ihrer Religion die Sie im Zusammenhang mit dem Bühnenleben verbinden?
Ja die gibt es. Ich würde nicht behaupten, dass ich ein sehr religiöser Mensch bin, aber ich stehe im Dialog zu Gott. Vor meinen Auftritten bete ich, dass alles gut läuft und ich heile von der Bühne runterkomme. Aber auch außerhalb vom Theater ist es schön zu wissen, dass es jemanden gibt der bei mir ist und mich stark macht, wenn mich Zweifel plagen. Diese Künstlerbranche ist so unsicher. Man weiss nie, wann der nächste Job kommt und ob man seine Miete im nächsten Jahr noch zahlen kann. So kann ich einfach nur immer wieder mein Bestes geben und den Rest in seine Hände legen und vertrauen, dass alles schon irgendwie Sinn macht.
Im Stück "Kiss me, Kate!" am Theater Dortmund, spielen Sie die Rolle als "Lois Lane alias Bianca". Bei der Szene „Always true to you" stehen Sie am Ende nur noch mit Strapsen auf der Bühne. Wie gehen Sie dort damit um? So viel Haut zu zeigen?
Naja nur in Strapsen ist etwas übertrieben. Ich würde das eher Korsage und Strapsen nennen (lachend)
Ich habe generell kein Problem damit Haut zu zeigen, solang es ästhetisch verpackt ist und vor allem der Show oder der Rolle dient. In diesem Fall ist die Rolle Lois Lane ein Nachtclubmädchen, das davon träumt am Broadway ganz groß rauszukommen. Deswegen stört es mich gar nicht, dass sie so ein Kostüm für ihr Solo bekommen hat. Ich muss auch erwähnen, dass ich mir meine Dessous selber aussuchen durfte. Da hab ich gleich etwas gewählt, worin ich mich wohlfühle und vor allem auch singen kann.
Werden Sie oft als eine "Türkin" von außen betitelt?
Nein. Die Menschen sind eher erstaunt, wenn sie bemerken dass ich einen türkischen Namen habe.
Wie sind die verschiedenen Reaktion, wenn Sie erläutern das sie keine Muslima sind?
Unterschiedlich. Es kommt immer darauf an, wer fragt. Aber interessiert und überrascht sind fast alle.
In den meisten Fällen bleibt es auch nie bei einer Frage :)
Gefällt Ihnen der Orient und die arabischen Ländern?
Ja sehr. Ich war letztens zum ersten mal in Istanbul und bin aus dem Staunen nicht herausgekommen. Ich liebe die Architektur im Orient, die Strände, das Wetter, das Obst und die superleckeren TORTEN!
Was gefällt ihn in der Türkei z.B. in Ihrer Geburtsstadt Izmir so besonders was es hier in Deutschland nicht gibt?
Oh das ist sehr lange her, dass ich in Izmir war. Aber eine Kleinigkeit fällt mir ein. Ich habe es als Kind geliebt, wenn meine Mama mir Maiskolben oder Esskastanien auf der Strasse gekauft hat.Diese Stände gibt es in Deutschland leider nicht.
UND definitiv ETIPUF!!! Ich könnte mich den ganzen Tag davon ernähren, nur dann würde ich nicht mehr in meine Kostüme passen.
Haben Sie noch eine Botschaft die Sie unseren Lesern übermitteln möchten?
Ja, ich denke es wird höchste Zeit, dass wir aufhören Menschen in Kategorien und Schubladen zu unterteilen! Es gibt nicht nur schwarz oder weiss. Ich hoffe einfach, dass wir irgendwann begreifen, dass wir trotz der unterschiedlichen Religionen und Hautfarben ALLE etwas gemeinsam haben. Und zwar, dass wir Menschen sind! Egal was auf der Welt passiert oder wie Politiker gegen unseren Willen entscheiden. Jeder von uns kann für sich selbst entscheiden, wie er lebt, glaubt, liebt und handelt!